Die Möve Jonathan
Es war Morgen, und die neue Sonne flimmerte golden über dem
Wellengekräusel der stillen See. Von einem Fischerboot, eine Meile vor
der Küste, wurden die Netze ausgeworfen. Blitzschnell verbreitete sich
die Nachricht in der Luft und lockte einen Schwarm Seemöwen an.
Tausende flitzten hin und her und balgten sich kreischend um ein paar
Brocken. Ein neuer Tag voller Geschäftigkeit hatte begonnen.
Nur ganz draußen, weit, weit von Boot und Küste entfernt, zog die Möwe
Jonathan ganz allein ihre Kreise. In dreißig Meter Höhe senkte sie die
Läufe, hob den Schnabel und versuchte schwebend eine ganz enge Kurve zu
beschreiben. Die Wendung verringerte die Fluggeschwindigkeit; Jonathan
hielt so lange durch, bis das Sausen der Zugluft um seinen Kopf nur
noch ein leises Flüstern war und der Ozean unter ihm stillzustehen
schien. In äußerster Konzentration machte er die Augen schmal, hielt
den Atem an, erzwang noch ein... einziges... kleines... Stück.. dann
sträubte sich das Gefieder, er sackte durch und kippte ab.
Niemals dürfen Seemöwen aufhören zu schweben oder zu fliegen, niemals
dürfen sie absacken. Für eine Möwe bedeutet das Schmach und Schande.
Aber die Möwe Jonathan, die da so ungeniert und ohne Zaudern nochmals
mit ausgespannten Flügeln die schwierige Kurve versuchte und immer
langsamer werdend wieder absackte, war kein gewöhnlicher Vogel.
Die meisten Möwen begnügen sich mit den einfachsten Grundbegriffen des
Fliegens, sind zufrieden, von der Küste zum Futter und zurück zu
kommen. Ihnen geht es nicht um die Kunst des Fliegens, sondern um das
Futter Jonathan aber war das Fressen unwichtig, er wollte fliegen,
liebte es mehr als alles andere auf der Welt.
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(Auszug aus dem Buch)